WILLY VALIER - Bruchlinien der 1960er Jahre

Ausstellung bis 31.01.2021 verlängert!

Willy Valier Willy Valier (1920-1968)
Öffentlich spielte er gerne den Rowdy, den Haudegen, den Revoluzzer, den peintre maudit. Er war ein völlig undiplomatischer Mensch, ein Außenseiter der Gesellschaft, der überall aneckte, wo es mit feinen Manieren zuging. Mit seiner etwas schroffen Ehrlichkeit, die er an den Tag legte, schuf er sich etliche Feinde, was er wiederum mit Genugtuung registrierte, da es ihn als Persönlichkeit ja nur bestätigte. Sein Äußeres ähnelte seiner Lebensdevise: Meglio un giorno da leone che cento anni da pecora.
Markus Vallazza in einem Nachruf

 

DIE 1960ER – EIN JAHRZEHNT DES UMBRUCHS

… Antibabypille – Reform der Kirche – Beginn der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit –
Martin Luther King „I HAVE A DREAM“ – Vietnam-Krieg – Make Love, Not War! – Prager Frühling – Schwulenbewegung …

Künstler besitzen seit je besondere Antennen für Bruchlinien, für alles Zerbrechliche, auch für die Verletzlichkeit des Menschen. In Valiers Werken zeigen sich Brüche und Bruchlinien, die auch als Metaphern einer Zeit des künstlerischen Umbruchs sowie der politischen und gesellschaftlichen Brüche gelesen werden können. 

 

Aufbruch nach Fantasia

Die künstlerische Karriere von Willy Valier beginnt mit einer Reihe von Bildern, die dem Surrealismus verpflichtet sind. Seine Vorliebe für die „animalisch-phantastische Welt“ erkennt man in zahlreichen Werken mit Fisch- und Vogelmotiven aus der Mitte der 1950er Jahre.

Bunter Vogel, Öl auf Holz, PrivatbesitzLandschaft mit Vögeln, 1955, Aquarell, Privatbesitz

„Ein Schlüsselerlebnis, das ihn zeit seines Lebens nicht mehr losgelassen hat, bedeutet ein Stück Jugendzeit: das Meer und die Zauberwelt des Mediterranen.“

Elisabeth Baumgartner

 

Aufbruch der Materie

Willy Valier öffnet sich Ende der 1950er Jahre abstrakten und infomellen Kunsttendenzen und gestaltet seine reliefartigen „Materici“ (Materialbilder) ohne jeglichen Gegenstandbezug. Internationale Vorreiter dafür sind u. a. Alberto Burri e Antoni Tàpies, die das Bild mit Materialien in den Raum hinein erweiterten.

Drei Figuren, 1960, Mischtechnik auf Holz, PrivatbesitzAlberto Burri, Schwarzer Riss, 1971, Aquatinta, PrivatbesitzMaterico, 1959, Metall auf Holz und Goldbronze, PrivatbesitzPeter Fellin, Ohne Titel, um 1955, Gips und Farbe auf Leinwand und Drahtgitter, Privatbesitz

Auch für Valier besitzt die Materialität eine besondere evokative Kraft, um dadurch, ähnlich wie Peter Fellin, zu einer ganz neuen, spröden Ästhetik zu gelangen.


Existenzielle Brüche

Zu Beginn der 1960er Jahre treten in Valiers Materialbildern wieder figurale Elemente auf. Die verwundete Oberfläche, die Spalten und Furchen verbinden sich mit menschlichen Zeichen, und Titel wie z.B. „Conditio humana“ zeugen von den existentiellen Fragestellungen.

Conditio humana, 1962, Öl auf Sperrholzplatte, Museum Eccel Kreuzer  Mutter mit Kind, 1963, Mischtechnik auf Holz, Privatbesitz Gruß mit Handschuh, gewidmet Alois Kuperion, 1964, Mischtechnik auf Holz, Privatbesitz, Foto: Alexa Rainer

„Sein Menschenbild erscheint lapidar, in groben Umrissen eingebunden in plastisch-harte Bildhäute, in schmutzige, dichte Materie, die das Leben in dumpfen, erdigen, teerartig-geschmierten Farben gefangen hält. Dieses persönliche dramatische Erleben des Menschenschicksals, aus dem es kein Entrinnen gibt, gräbt Valier in tiefen Furchen mit dem Stichel in die Bildoberfläche, verletzt und verunstaltet sie mit den Spuren des Schmerzes und seiner Anteilnahme“ Eva Kreuzer-Eccel

 

Politische Brüche: Per la Spagna und Vietnam

Willy Valiers komplexe Künstlerpersönlichkeit äußert sich in besonderer Weise auch in seinen politischen Bildern. Er widmet den Opfern des Franco-Regimes ebenso Werke wie dem Krieg in Vietnam. Auch sein Freund Karl Plattner nimmt sich mit dem Werk „Vietnam“ dieses Themas an, allerdings in ganz anderer Form. Während bei Valier der Terror und der Schrecken dominieren, ist es bei Plattner die Trauer.

Vietnam, 1966, Mischtechnik auf Holz, Kunstgalerie Morandell, Bozen Karl Plattner, Vietnam, 1966/67, Öl auf Leinwand, Courtesy Galleria Alessandro Casciaro  Für das getötete Spanien, 1962, Mischtechnik auf Holzplatte, Privatbesitz

 

love & peace

Neben dem Gefühl des Geworfenseins und der Widersprüchlichkeit konservativer Gesellschaftsstrukturen thematisiert Valier in seinen Bildern zunehmend auch den Wunsch nach menschlicher Zweisamkeit und Harmonie.

Mann mit Gitarre, 1963, Mischtechnik auf Holz, Privatbesitz, Foto: Alexa Rainer Liebespaar, 1963, Mischtechnik auf Holz, Privatbesitz Engel, 1967, Öl auf Leinwand, Privatbesitz

Im Mittelpunkt steht stets der Mensch mit seinen Problemen, seiner Verletzlichkeit, seinen Wünschen und existenziellen Fragen.


Ausstellungstexte von Eva Gratl

Kuratoren: Eva Gratl & Carl Kraus


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